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Stellungnahme der Landesarbeitsgemeinschaft Mädchenarbeit in NRW e.V. | 1 Kommentar

Beate Vinke

Zweifelhafte Freude - Friedensnobelpreis für Malala Yousafzai

Worldbank (CC BY-NY-ND 2.0)

Die Landesarbeitsgemeinschaft Mädchenarbeit in NRW e.V. gratuliert Malala Yousafzai ganz herzlich zur Verleihung des Friedensnobelpreises und zu dieser verdienten Würdigung und Anerkennung ihres Engagements für Mädchen und junge Frauen!

 

Um es gleich vorweg zu sagen: Dieser Friedensnobelpreis gehört Malala Yousafzai. Sie allein weiß, was er für sie bedeutet. Sie definiert, welchen Gewinn er für sie bringt und was er sie möglicherweise kostet. Als Fachverband für Mädchenarbeit wissen wir auch um die Macht der Symbole und haben demzufolge Fragen an westliche Symbolpolitiken sowie an mediale Inszenierungen von "guten" und "bösen" Mädchen und Menschen, ob weiß oder of color:

  • Wenn "Bildung für alle Mädchen" wirklich so ein hohes Gut ist, wie es gerade jetzt von deutschen Politiker*innen aller Couleur immer wieder betont wird, wenn es wirklich nur "ein Kind, einen Lehrer, ein Buch und einen Stift braucht", um die Welt zu verändern, warum ist Deutschland dann nicht Weltmeister im Export von Bildungschancen, sondern viertgrößter Waffenexporteur weltweit?
  • Hätte ein namenloses Mädchen in einem unbekannten Land des globalen Südens, das den Anschlag einer Drohne einer westlichen Industrienation überlebt hat eine reale Chance, einen Namen und ein Gesicht zu bekommen und den Friedensnobelpreis zu erhalten?

Wir haben auch Fragen an uns selbst:

  • Beschäftigen wir uns in der Mädchenarbeit damit, was internationale Solidarität für uns bedeutet und welche Art von Solidarität wir selbst brauchen?
  • Inwieweit reflektieren wir in der Mädchenarbeit eigene Rassismen?
  • Sind wir bereit, uns mit Fragen der Sicherheits- und Friedenspolitik zu beschäftigen? Definieren wir sie als Teil von Mädchenpolitik oder überlassen wir dieses unbequeme und komplizierte Geschäft lieber anderen? 

In diesem zweifelhaften Sinne freuen wir uns mit Malala Yousafzai über einen Preis, über den wir uns nicht wirklich freuen können und gratulieren allen Mädchen, die auch unter schwierigen Umständen ihren ganz eigenen Weg gehen – weltweit!

Kontakt

Landesarbeitsgemeinschaft Mädchenarbeit in NRW e.V.

Beate Vinke

Robertstr. 5a

42107 Wuppertal

beate.vinke@maedchenarbeit-nrw.de

www.maedchenarbeit-nrw.de

1 • Claudia Wallner

16.12.2014, 10:46 Uhr

Danke für die Gedanken zum Friedensnobelpreis aus mädchenarbeitspolitischer Sicht. Und ja, ich finde eure Fragen anregend und berechtigt und auch wichtig für uns in der Mädchenarbeit: was bedeutet es, dass Malala von den Taliban angeschossen wurde, die bis zum "Erscheinen" des "IS" als Synonym für "das Böse" in der westlichen Welt auserkoren waren? War aus dieser Perspektive die weltweite Berichterstattung und der Friedensnobelpreis auch ein Stück Instrumentalisierung dafür, "das Böse" ein weiteres Mal und personifiziert mit einem Mädchen als Opfer zu identifizieren? Und ist das dann Empowerment?
Und danke für die Fragen an uns selbst: Im Sinne einer intersektionellen Mädchenarbeit sind diese Fragen fundamental für die Weiterentwicklung von Mädchenarbeit: was wir in den Anfängen feministischer Mädchenarbeit der Jugendarbeit vorgeworfen haben (das Jugendarbeit eben nicht für Mädchen ist, nur weil sie theoretisch mitgemeint und nicht explizit ausgeschlossen werden), müssen wir uns auch als Anfrage an unsere eigenen Konzepte gefallen lassen: was tun wir dafür, dass Mädchen aller Kulturen, Religionen, Schichten, Hautfarben, gesund oder gehandicapt... sich bei uns angenommen und gewertschätzt fühlen? Wenn wir die Augen schließen und "Mädchen" denken: welche Bilder erscheinen dann? Und was heißt das für die Frage, welche Mädchen tatsächlich in unserem Fokus sind?
In diesem Sinne ist der Friedensnobelpreis für Malala auch ein Anlass, eben über unsere eigenen Einstellungen und Konzepte nachzudenken. Solidarität beginnt dann bei uns selbst, in unseren Mädcheneinrichtungen und -angeboten.

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