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Zum Internationalen Mädchentag | 12 Kommentare

Claudia Wallner

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht

fs999 / flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)

Quelle: fs999 / flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)

 Seit dem internationalen Frauentag am 8. März 2014 wirbt plan international für eine Aktion in Magdeburg namens „Magdeburg – stark für Mädchen!“, bei der es ums Häkeln und Stricken in pink für benachteiligte Mädchen geht.

Kampagne von plan international in Magdeburg für Mädchen(rechte) geht knapp daneben

Aufgefordert wird dazu, bis zum Weltmädchentag am 11. Oktober mit pinkfarbener Wolle „trendige Socken, Mützen, Handschuhe, Stulpen oder Schals“ zu häkeln und zu stricken, die dann zugunsten benachteiligter Mädchen versteigert werden sollen. Einzige Bedingung: sie müssen „in ihrer Zusammenstellung als prägende Farbe PINK (nicht rosa!) aufweisen.“ (alle Zitate aus dem Flyer)

Grundsätzlich sind die Aktionen und Kampagnen von plan für die Rechte und den Schutz von Mädchen weltweit zu begrüßen! Sind es doch nur allzu wenige Organisationen, die sich (noch) um Mädchen und ihre teilweise benachteiligten, teilweise versklavten und rechtlosen Lebensumstände bemühen und Öffentlichkeit erzeugen.

Es gibt aber aus meiner Perspektive mehrere Punkte, die ich an der Magdeburger Kampagne absonderlich finde und weswegen ich mir wünschen würde, dass Hilfsorganisationen wie plan zusammenarbeiten würden mit den Organisationen in den jeweiligen Ländern, die sich bereits um Mädchen(rechte) kümmern, in Deutschland bspw. mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Mädchenpolitik e.V. oder mit Kampagnen wie one billion rising oder pinkstinks: Es würde helfen, erstens die Anstrengungen zu koordinieren und damit auch zu effektivieren und – was ich noch wichtiger finde – aus gut gemeint könnte auch gut gemacht werden durch die Einbeziehung der Fachexpertise, die es bereits gibt.

fs999 / flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)

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Stattdessen beschenkt uns plan in diesem Jahr nicht nur wieder mit (ausgerechnet) pinkfarben angestrahlten Gebäuden in Großstädten dieser Welt, nein, dieses Jahr können sich zumindest in Magdeburg davor auch noch Menschen mit pinkfarbener Wolle auf dem Kopf oder an Händen, Hälsen und Füßen davor platzieren und mit den Gebäuden farblich verschmelzen.

Worin also liegt meine Kritik? Da ist zunächst einmal mehr die Farbwahl. Warum ausgerechnet PINK notwendig ist als neue starke Mädchenfarbe, erschließt sich mir nicht: Pink sei dabei die Gegenfarbe zu rosa und bedeute „Power, Lebensfreude und Mut zur Offensive – genau die Eigenschaften, die benachteiligte Mädchen zusätzlich motivieren können, die Initiative zu ergreifen und für ihre Rechte zu kämpfen, z.B. für eine Geburtsurkunde, ausreichend Ernährung, Bildung sowie medizinische Versorgung oder den Schutz vor Misshandlung und Ausbeutung“ – schwierig finde ich, warum das mit einer Signalfarbe sein soll, die dem mädchentypischen rosa so nah ist, ganz abgesehen davon, dass das kräftige Pink ebenfalls zum Farbcode für Mädchenkleidung und –spielzeug gehört: kleine Mädchen in Fleecepullis mit pink-rosa Blütenmotiven bevölkern überall das Stadtbild.

Noch schwieriger aber finde ich die Individualisierung der beschriebenen Probleme, mit denen benachteiligte Mädchen es zu tun haben. Die Verantwortung dafür, dass Mädchen eine Geburtsurkunde haben, zu essen, gebildet werden etc. liegt bei den Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten, der Gesellschaft und der Regierung eines jeden Landes – und obliegt nicht den Mädchen selbst, die wir dann (feministischer weise) dafür aufpäppeln und stärken, dass sie Dinge in die Hand nehmen, die sie nicht zu verantworten und zu erledigen haben. Das halte ich für einen völlig fehl geleiteten politischen Weg, der allemal nur einer Individualisierungspolitik in die Hände spielt, die die gesellschaftliche Verantwortung rückführt und die individuelle hochfährt – und plan findet, dass das schon bei den Kindern anfangen soll – prächtig!

Übersetzt heißt die Kampagne für mich: stylisch häkeln und stricken für die Aufbürdung gesellschaftlicher Verantwortung auf die Rücken benachteiligter Mädchen.

Und ein letzter Punkt: Heteronormativität fehlt im Flyer natürlich auch nicht: „Die Mädchen-Projekte richten sich übrigens auch an männliche Projektteilnehmer, die unter der Zielstellung der Gleichberechtigung als Brüder, Väter oder spätere Ehemänner nicht ausgegrenzt werden dürfen.“ Aha! Die Perspektive von Mädchen ist natürlich die Ehe mit einem Mann – grrrrr!!!!!

Ich unterstelle plan überhaupt nicht, dass sie Heteronormativität, Individualisierung von gesellschaftlichen Schutz- und Förderaufgaben für ein selbstbestimmtes Aufwachsen von Mädchen oder die Vertiefung der Pinkifizierung von Mädchenwelten fördern wollen. Wahrscheinlich meinen sie es tatsächlich gut mit und für Mädchen. Aber: sie machen es nicht gut, und deshalb wäre es so hilfreich, wenn plan eben jene Organisationen mit einbeziehen würde in ihre Aktionsplanungen, die sich mit politischen Mädchenfragen tatsächlich auskennen. Bestenfalls zeigt sich in der ungeschickten Auswahl und Ausrichtung der Kampagne in Magdeburg, wie notwendig im Sinne gerade von Mädchen(rechten) Kooperationen wären, schlechtenfalls offenbart sich dann doch eine Haltung, die noch allzu viele zuschreibende und einseitige Perspektiven auf Mädchen enthält – und auch hier wären Kooperationen mit Mädchenorganisationen mehr als hilfreich. In Magdeburg arbeitet bspw. seit vielen Jahren erfolgreich das Kompetenzzentrum geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe. Allemal eine wertvolle Adresse, liebe plan-Kolleg_innen, damit gut gedachte Kampagnen nicht diesen Schrägschlag kriegen, der meines Erachtens eine politisch nicht gerechtfertigte Perspektive auf Mädchen schafft. Jedenfalls keine, die Mädchen in der Vielfalt und Freiheit ihres Seins sieht. Und wie soll dann Empowerment gelingen?

Ich jedenfalls wünsche mir am 11. Oktober in Magdeburg ein anderes Szenario für Mädchenrechte als pinke Mützen vor pinkten Gebäuden und die Aufforderung an Mädchen, für ihre Menschenrechte selbst zu sorgen. Das sind wir Mädchen als Feminist_innen und als Gesellschaft schuldig!

Autorin

Ein Beitrag von Dr. Claudia Wallner, Mitarbeiterin im Projekt meinTestgelaende.de für die Bundesarbeitsgemeinschaft Mädchenpolitik e.V.

1 • Heidrun Schaller

10.10.2014, 10:14 Uhr

Das ist doch ein schlechter Witz, dass Pink im Gegensatz zu Rosa irgendwie "empowering" ist. Pink oder Rosa, das ist doch völlig wurscht. Jetzt ist Pink auf einmal revolutionär? Das ist ja so wie wenn man sagt, dass eine Frau, die nicht mehr auf Händen und Knien, sondern im Stehen putzt, emanzipiert ist. #fail

2 • Claudia Wallner

10.10.2014, 11:02 Uhr

Besonders bedauerlich finde ich, dass plan sich von der Kritik grundsätzlich nichts anzieht und auch nicht kooperiert mit der Mädchenarbeit vor Ort oder mit Kampagnen wie pinkstinks oder one billion rising oder der BAG Mädchenpolitik. Im vergangenen Jahr hatte Stevie Schmiedel für pinkstinks bereits das rosa Anstrahlen von Gebäuden als Mädchenaktion auf dem Weltmädchentag kritisiert und die Geschäftsführerin von plan fand das "oberflächlich". Dabei ist die rosa Lichtbestrahlung das einzig Oberflächliche...

3 • Irena Schunke

10.10.2014, 11:50 Uhr

Die LAG Mädchen und junge Frauen Sachsen-Anhalt hatte bereits im Juni 2014 mit Frau Gummert von plan eine kritische Diskussion zur diesjährigen Aktion zum Weltmädchentag. Ich finde es schade, dass Frau Gummert im Vorfeld nicht die Möglichkeit genutzt hat, mit den Akteurinnen der Mädchen- und Gleichstellungsarbeit in Magdeburg (Mädchenarbeitskreis und KgKJH Sachsen-Anhalt e.V. u.a.) über die Aktion von plan zu diskutieren. Um ein politisches Achtungszeichen für die Vielfalt von Mädchen, deren Lebenswirklichkeiten und Rechte zu setzen, bedarf es anderer öffentlichkeitswirksamer Aktionen als pinkfarbene Mützen oder Schals und das Anstrahlen öffentlicher Gebäude in pink.

4 • Michael Drogand-Strud

10.10.2014, 12:30 Uhr

Pink und rosa bringen offensichtlich die Geschlechterfrage in Wallung:
Gerade Pinkstinks startet zum Internationalen Mädchentag eine Aktion mit einem rosa Kuschelpony – für Jungs! Stevie Schmiedel, von Pinkstinks sagt dazu:
"Die Farbe Pink hat eine Botschaft: Jungs sind die Norm, Mädchen der Sonderfall – deshalb werden Produkte für sie rosarot gekennzeichnet. Das muss aufhören. Gleichberechtigung erreichen wir erst, wenn Pink für alle da ist."
Wir brauchen mehr bunte Rechte für Alle, oder!?

5 • Ane V.

11.10.2014, 12:07 Uhr

Danke für den sachlichen Artikel! Ich kann meinen Brechreiz hingegen kaum noch im Zaum halten angesichts dieser Ignoranz. Same s*** hier, nur bezogen auf ein anderes Thema und in einer anderen Stadt - die von dir formulierte Kritik passt hier allerdings exakt: http://www.pink-shoe-day.de/
Pinke Schuhe im Kampf gegen Brustkrebs...

6 • Claudia Wallner

12.10.2014, 09:51 Uhr

gestern habe ich bei der Lobby für Mädchen in Köln einen Vortrag zu Lebenslagen von Mädchen und jungen Frauen heute gehalten im Rahmen einer Veranstaltung zum internationalen Mädchentag. Kooperationspartnerin der Veranstaltung war u.a. plan international mit pinkfarbenen Luftballons, die Damen in pinken Shirts, die Herren in blauen. Die Welt ist in Ordnung bei plan was die Geschlechterstereotype angeht... In meinem Vortrag habe ich die Kolleg_innen von plan direkt angesprochen auf ihre Pinkyfizierungsaktionen, aber nach dem Vortrag sagte eine plan-Aktivistin nur: ich sehe das anders. So sei es denn. Kooperationsgespräche scheinen schwierig. Besonders schade, weil plan sich weltweit für Mädchen einsetzt, was großartig ist. Es wäre nur schön, sie würden sich mit anderen NGOs besprechen. Wieder mal ein wunderbares Interview zu den plan-Aktionen, zum internationalen Mädchentag und zu rosa Ponys für Jungen hat Stevie Schmiedel der Neuen Osnabrücker Zeitung gegeben. Undbedingt nachlesenswert: http://www.noz.de/deutschland-welt/gut-zu-wissen/artikel/512731/pinkstinks-feministen-verkaufen-rosa-ponys-fur-jungs

7 • Christoph Damm

12.10.2014, 10:55 Uhr

Mit "Ich sehe das anders" ist dann auch ganz viel ausgedrückt über die eigenen Anspruch ein Thema sinnvoll zu bearbeiten. Hat sie denn nicht argumentiert, warum sie das anders sieht?

8 • Claudia Wallner

12.10.2014, 11:02 Uhr

Leider nein - sie fand meinen Vortrag gut und die Inhalte richtig, aber das Pink ist bei plan unantastbar als Farbe für "starke Mädchen" - für Männer übrigens auf keinen Fall, die bleiben in blauen Hemden. Plan war mit mindestens 30 Personen und diversen Ständen vor Ort und hat damit den Eindruck der Veranstaltung absolut dominiert aber zu den Mädchenarbeiterinnen von der Lobby für Mädchen, vom Technikerinnenhaus etc. keinen Kontakt aufgenommen. Die machen absolut nur ihr eigenes Ding. Wie war denn die Häkelaktion von plan in Mageburg?

9 • Heike Ponitka

13.10.2014, 16:57 Uhr

Es gab in Magdeburg am 11. 10.- dem Weltmädchentag- mehrere Veranstaltungen: die Aktion des kommunalen Mädchenarbeitskreises "Träume fangen und hoch hinaus" mit Bogenschießaktionen, Hochseiltraining ect., die ausgebucht war mit teilnehmenden 35 Mädchen. Es fand der "Frauen- und Mädchensporttag"mit vielen konditions- und körperstärkenden Angeboten und dem kostenlosen Eintritt in die Elbeschwimmhalle statt, die rappellvoll war den ganzen Tag über. Und dann gab es als eine Aktion den Infostand von Plan im Katharinenturm mit den Infomaterialien und pinkfarbenen selbstgestrickten- gehäkelten- genähten Sachen, die für einen guten Zweck verkauft wurden. Hauptanliegen war aber die Info über die Situation der Mädchen weltweit und eine klare, eindeutige Botschaft über die Lebenslagen der Mädchen. Der Aufhänger für etliche Leute war die Farbe PINK um an den Stand zu gehen- neugierig zu sein und nachzufragen. Jede dieser 3 Aktionen in MD am 10.11. war wichtig und bot verschiedene Möglichkeiten, sich zu infomieren. Also - reduziert die Angebote für Mädchen und Frauen der Stadt an diesem Tag nicht nur auf die eine Aktion von Plan.
Ich finde in der jetzigen internationlen politischen Lage ist es wichtig, auf die patriachale Unterdrückung der Mädchen überhaupt aufmerksam zu machen und Aktionen für die Verbesserung der Lebenssituation von Mädchen zu unterstützen- da ist die Farbe Pink das kleinste Übel dabei, wenn es um Aktionen gegen Massenvergewaltigungen, Vertreibung und moderene Versklavung der Mädchen geht.

10 • Christoph Damm

14.10.2014, 13:23 Uhr

Vielen Dank für die Hinweise auf die beiden anderen Veranstaltung. Es ist gut und wichtig, dass es mehr gab in der Stadt als nur eine Pinkifizierungsaktion. Auch wenn ich die politische Idee der Aktion von plan wichtig und richtig finde und absolut unterstütze, so finde ich die Umsetzung umso schlimmer. Wir werden durch solche Aktionen in Deutschland nicht die politische Lage der Welt verändern, aber das Denken von Menschen anregen können. Daher ist es aus meiner Sicht immens wichtig, gegen stereotype Vorstellungen zu arbeiten und eben nicht extra alles pink zu machen, weil es um Mädchen geht. Durch eine einfache Absichtsbekundung (Pink sei "Power, Lebensfreude und Mut zur Offensive") werden wir die Bedeutung von Pink nicht neu konstruieren können. Daher werden implizit Vorstellungen von Weiblichkeit bedient, die ich in einen Zusammenhang mit patriarchalen Geschlechterhierarchien setze. Vielmehr sollte man das eine tun (die politische Aktion) und das Nachdenken über das andere (die Vermeidung der Reproduktion von Geschlechterstereotypen) dabei nicht lassen. Außerdem zielt die Kritik des Artikels darüber hinaus auch auf die Missachtung der Expertise kleiner Träger ab, die von plan als big player schlicht ignoriert werden.

11 • Karsten Höhnke

11.11.2014, 12:32 Uhr

Auch bei uns in Lübeck hat plan das Holstentor pink angestrahlt: http://www.hl-live.de/aktuell/text.php?id=94466

Das Motto "Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht" lässt sich nach meinen Beobachtungen leider auf viele Angebote beziehen, die eigentlich dem Abbau von Ungleichheiten zuträglich sein sollen. Da werden dann etwa in der Jugendarbeit geschlechtsspezifische Angebote gemacht und für Mädchen ein "Beauty- und Wellnesstag" und für die Jungen ein Fußballturnier ausgerichtet. So werden Geschlechtsstereotype fortgeschrieben anstatt sie aufzubrechen.
Grund hierfür kann meines Erachtens einerseits mangelndes Wissen über geschlechtsreflektiertes (-sensibles, -spezifisches, etc.) Arbeiten auf Seiten der Fachkräfte sein, was den weiteren Bedarf an entsprechenden Fortbildungen zeigt. Andererseits habe ich den Eindruck, dass es vielfach schlicht einfacher ist, die jeweilge Zielgruppe zu erreichen, wenn die Angebote stereotypmässig gestaltet sind. Und ein Mädchen- oder Jungenangebot, dass nicht angenommen wird, lässt sich halt schlecht dem Träger oder Geldgeber gegenüber rechtfertigen...

12 • Claudia Wallner

11.11.2014, 13:11 Uhr

Danke für den Bericht aus Lübeck, den Link auf den interessanten Zeitungsartikel und die Analyse zum Warum geschlechterstereotyper Angebote in der Jugendarbeit.
Wir freuen uns berichten zu können, dass dieser kleine Blog die Kolleginnen von plan Deutschland aktiviert hat mit uns Kontakt aufzunehmen. Wir werden im Dezember ein erstes Gespräch in Hamburg führen. Wir, das sind eine Kollegin aus dem Vorstand der BAG Mädchenpolitik, ich für unser Projekt meinTestgelaende (www.meintestgelaende.de), das diesen Blog betreibt und Stevie Schmiedel für die Kampagne Pinkstinks. Wir freuen uns sehr, dass es damit möglich wird, gemeinsam fachlich zu diskutieren, was wie Sinn macht im Einsatz für Mädchen in Deutschland und damit ein Wunsch, den wir in diesem Blog formuliert haben, erfüllt wird. Wir werden euch hier über die Ergebnisse auf dem Laufenden halten...

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