Was bisher geschah ...
Michael Drogand-Strud
Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
Quelle: BAG Jungenarbeit |
Anlässlich des diesjährigen Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen hat die BAG Jungenarbeit e.V. an einer Veranstaltung des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt teilgenommen. |
Grußwort
Gewalt gegen Frauen ist eine Menschenrechtsverletzung, die in vielfältigen Formen ausgeübt wird: Sexualisierte Gewalt in Form von Zwangsprostitution, Sextourismus und Vergewaltigung sowie Beschneidung, Häusliche Gewalt, Zwangsheirat und weibliche Armut.
Gewalt gegen Frauen ist ein kultur- und länderübergreifendes Problem – in Deutschland ist etwa jede vierte Frau Opfer von Gewalt im eigenen Zuhause. Frauen mit Behinderungen werden besonders oft zum Ziel von Gewalt: in den Zentren Europas und Nordamerikas hat jede zweite Frau mit Behinderung einen Gewaltakt erleiden müssen.
Hier in Europa – gerade auch in Deutschland wird oft verbreitet, dass Gewalt gegen Frauen vor allem in anderen Ländern ein Thema ist – verwiesen wird etwa auf China und die Folgen der Ein-Kind-Politik und auf das patriarchale Kastensystem Indiens, dass die Geburt eines Sohnes bevorzugt und der Abtreibung von Mädchen Vorschub leistet. Besonders die drastischen Vergewaltigungsfälle aus Indien haben hierzulande in den letzten Jahren breite Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Diese Berichterstattung ist nur so lange hilfreich, wie sie nicht dazu dient die Betroffenheit in unserem eigenen Land zu verschleiern: Nach Angaben des deutschen Bundeskriminalamtes wurde im Jahr 2010 in Deutschland 7.700 Frauen sexuelle Gewalt angetan– ohne eine Dunkelziffer berücksichtigen zu können!
In unserer Presse wurde zu Recht skandalisiert, dass in Delhi alle 18 Stunden eine Vergewaltigung stattfindet!
Rechnet man allerdings die bekannt gewordenen Zahlen von Vergewaltigungen auf die Einwohnerzahl, gibt es in Deutschland nicht weniger Taten sexueller Gewalt wie in Delhi. Wo bleibt die Skandalisierung dieser Gewalt gegen Frauen in Deutschland? Seit 1997 – und nicht vorher – ist die Vergewaltigung in der Ehe offiziell strafbar.
Abwertende Behandlung, täglicher Sexismus – z.B. in der Werbung – berufliche und lohnbezogene Benachteiligungen bei gleicher Arbeit sind auch in Deutschland weiterhin bestehende Missstände. In vielen Teilen der Welt wird der Wert von Mädchen oder Frauen im Vergleich zu Jungen oder Männern geringer geschätzt, was ganz konkrete Benachteiligungen zur Folge hat; so 65% aller Analphabet_innen weltweit sind weiblich.
Uns begegnet oft das Argument, dass patriarchale Strukturen und Vorstellungen von Ehre besonders in Teilen migrantischer Familien eine hohe Bedeutung erhalten. Dieser Ehrbegriff hindert Jugendliche aller Geschlechter an der freien Entwicklung ihrer Persönlichkeit und schränkt ihre Lebensentwürfe ein: Mädchen und Frauen werden über Kontrolle, Unterordnung oder Zwangsheirat in die Opferrolle gedrängt. Aber auch Jungen geraten unter Druck, Ehrenvorschriften durchsetzen zu müssen oder arrangierte Ehen einzugehen.
Als BAG Jungenarbeit möchten wir darauf verweisen, dass es viele Jungen und Männer aus sogenannten Ehrenkulturen gibt, die sich diesen Unterdrückungsmechanismen widersetzen:
Im Projekt Heroes, mit dem wir als Webportal ‚meinTestgelaende‘ zusammenarbeiten, geht es z.B. um die Problematisierung der Männerrolle im Kontext der Gewalt an Mädchen und Frauen. Das Ziel ist es, jugendlichen männlichen Migranten die Möglichkeit zu geben, sich von diesen Machtstrukturen zu distanzieren und sich Respekt durch den Kampf gegen Unterdrückung im Namen der Ehre zu erarbeiten.
Eine andere Auseinandersetzung führen wir, als BAG Jungenarbeit, um die Aussage: Gewalt richtet sich nicht nur gegen Frauen und Mädchen, sondern auch gegen Jungen und Männer.
Wir wenden uns explizit gegen jede Form von Diskriminierung und Gewalt, die Menschen angetan wird. Wir wissen, dass unter Jungen und Männern - je nach Definition von Gewalt, hohe Opferzahlen zu beklagen sind. Wir lassen aber nicht zu, dass die Zahl männlicher Opfer gegen die Zahl weiblicher Opfer ausgespielt wird.
Opfer zu sein bedeutet fast immer auch langfristige Nachteile in Schule und Beruf zu erleiden. Jedes Opfer hat ein Recht auf die Anerkennung der eigenen Verletzung und Beschädigung und auf einen Ausgleich von finanziellen und beruflichen Benachteiligungen. Wir fordern ebenso ausreichende Mittel zur Gewaltprävention und zur Begleitung von Gewaltopfern in Form von Mädchenzentren, Frauenhäuser und entsprechenden Angeboten für Jungen.
Wir wissen: die Täterschaft ist auch nicht ausschließlich männlich – aber der Anteil männlicher Täter ist extrem hoch.
Nach unserer Auffassung ist Gewalt eine Folge des hierarchischen Gesellschaftsbildes, in dem ein Teil der Menschheit zu den Guten, den eigentlich Gemeinten gehört und der andere Teil ausgegrenzt, diskriminiert und abgewertet wird.
Geschlecht ist hier und heute das zentrale Merkmal, mit dem Menschen unterdrückt werden, weswegen andere sich erlauben Gewalt auszuüben.
Wir wenden uns gegen jede Form von Gewalt und Unterdrückung! Auch gegen die Unterdrückung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihrer Herkunft, ihrer Gesundheit, ihrer Bildung oder ihrer sexuellen Orientierung.
Unsere Jungenarbeit findet statt, um Jungen darin zu begleiten, dass sie zu emotional lebendigen, sozial verantwortlichen und reflexiven Persönlichkeiten heranwachsen.
Am heutigen 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen machen wir auf Diskriminierung und bestehende Gewalt aufmerksam und wollen die Menschen aller Geschlechter dabei zu unterstützen, ihren eigenen Weg der Befreiung zu gehen.
Link
Das Grußwort der BAG Mädchenpolitik e.V. kann hier nachgelesen werden.
Autor
Ein Beitrag von Michael Drogand-Strud, Mitarbeiter im Projekt meinTestgelaende.de für die Bundesarbeitsgemeinschaft Jungenarbeit e.V.
1 • Christoph Grote
Sinnvolle Aktion zur Solidarisierung mit den vielen Leidtragenden und ein Symbol zum Zeigen der Verantwortung aller als gesellschaftliche Aufgabe Gewalttaten und -zusammenhänge immer wieder offen zu legen.
2 • Christoph Damm
Es war gut und wichtig, dass sich die BAG Jungenarbeit an der Aktion beteiligt hat. Vielen Dank, Michael, dass Du das Grußwort hier veröffentlicht hast.
3 • Michael Ney
Ich fand auch gut, dass die BAG dort präsent war. Gewalt gegen Frauenist kein Frauenthema, sondern geht uns alle an - so wie jedwede Form von Gewalt. Schade fand ich, dass es nur begrenzten Raum gab,seitens des Ministeriums, die Veranstaltung inhlatlich zu füllen - auch wenn esim Anschluss im Landtag eine Gedenkstunde gab.
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